Wie jedes Semester fand auch diesmal das „Bundesvernetzungstreffen der schwulen, schwul-lesbischen und queeren Referate und Hochschulgruppen“ in der „Akademie Waldschlösschen“ in Gleichen bei Göttingen statt. Diesmal waren wir Organisator*innen und so waren es für uns nicht, wie sonst, wenige Tage, sondern ein halbes Jahr voller Vorbereitungen, Ideen, Gedanken und intensiver Auseinandersetzung damit, wie wir uns ein queeres Bildungs-, Selbstbestärkungs- und Vernetzungswochenende vorstellen. Die Frage war: wie kann queere Utopie aussehen? Herausgekommen ist: Das längste Schlösschen aller Zeiten.
Begonnen haben die Vorbereitungen bereits auf der Heimfahrt vom letzten Bundestreffen im November 2013. Wir floßen über vor Ideen. Ein wunderbares, unvergessliches Schlösschen sollte es werden, da waren wir uns – wie alle anderen Orgas vor uns – sicher. Doch was macht das perfekte Schlösschen aus? Für uns war klar: Liebe, Respekt und Verantwortung. Eigentlich sollte das Schlösschen so werden wie unsere eigene Referatsarbeit. „Working on Wonderland“ ist unser Motto und daraus wurde: Wunderland. Denn das war das Schlösschen für uns und sollte es wieder werden. Ein Wunderland in dem vieles möglich, aber nichts fix ist, außer vielleicht die Mahlzeiten. Das Prinzip der Gestaltung und der Möglichkeit sollte uns durch diese Tage tragen, um uns allen Flügel zu verleihen, für unsere Arbeit daheim in den Referaten und uns persönlichen Raum zu geben uns auszuprobieren, uns als die Wunder zu entdecken und zu erleben, die wir sind.
Ein wichtiger Teil von Emanzipation und emanzipatorischer Politik ist, sich selbst akzeptieren und lieben zu lernen. Gerade als von der Heteronorm und Geschlechterdichotomie abweichende Wesen kennen viele Teilnehmende des Schlösschens das Gefühl ausgeschlossen zu sein, sich selbst nicht zugehörig zu fühlen. Bevor wir überhaupt wissen wie wir uns selbst definieren und welche Möglichkeiten wir haben, lernen wir schon was „gut und richtig“ ist und was nicht. Wir erleben uns als ‚Freaks‘, irgendwie nicht so ganz richtig, es fehlen Vorbilder und so entwickelt sich in vielen von uns eine Skepsis gegenüber sich selbst. Wenn es auch nicht gleich ausgewachsener Selbsthass sein muss, so doch der Wunsch anders zu sein als wir sind. Das ist einerseits spannend und toll, allerdings nur so lange wie wir anders sein möchten um der Kreativität, der Selbstgestaltung Willen. Unschön wird es wenn wir anders sein wollen, um weniger diskriminiert zu werden, mehr Chancen, Anerkennung oder ähnliches zu finden. Diese Skepsis gegenüber sich selbst wollten wir dieses Mal helfen umzukehren.
Auf dem Schlösschen gibt es seit langer Zeit die Tradition, dass Tunten sich erproben und „abhärten“ indem sie garstig zueinander sind. Wir haben lange über die Garstigkeit diskutiert und über die Methode sich gegen Angriffe und Übergriffe abzuhärten und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir lieber über die Selbstliebe gehen möchten. Bestärkung in dem was Menschen sind, sollte sie unbesiegbar machen, nicht die Abstumpfung gegenüber Gewalt. Das Gefühl richtig angekommen zu sein, angenommen zu werden, auch mit Fehlern, auch wenn ich rausfalle aus Normen, sollte es werden und dazu bietet das Schlösschen und auch die Tuntigkeit mit all ihren Traditionen eine Fülle an Möglichkeiten.